Täterinnenschaft in Trümmern

Wie viele sicher schon mitbekommen haben, haben wir den Prozess der IS-Rückkehrerin Elina F. beobachtet und in einem Podcast analysiert. Zudem haben wir in der Jungle World einen Hintergrundartikel veröffentlicht. Da wir aus redaktionellen Gründen nicht alles unser Analyse verarbeiten konnten, wollen wir hier unseren ungekürzten Artikel teilen.

Das Oberlandesgericht Hamburg hat Elina F. zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Sie war 2013 nach Syrien gereist, um sich dem »Islamischen Staat« anzuschließen. Als Bündnis drift – feminist alliance for communism sind wir dem Aufruf verschiedener Initiativen wie dem êzîdîschen Frauendachverband gefolgt, Prozesse gegen IS-RückkehrerInnen zu beobachten. Wir haben den Prozess gegen Elina F. vor dem Hamburger Oberlandesgericht von Anfang bis Ende begleitet und unsere Beobachtungen in einem Audio-Prozesstagebuch dokumentiert.

Bereits nach elf Prozesstagen wurde Elina F. am 09. September 2020 zu einer Haftstrafe von nur zwei Jahren auf Bewährung nach §129b StGB verurteilt. Die 30jährige Hamburgerin war im September 2013 ihrem damaligen Ehemann Serkan E. nach Syrien gefolgt und hatte sich dort dem »Islamischen Staat« (IS) angeschlossen. Das Urteil fiel – insbesondere im Vergleich mit jüngsten ähnlichen Verfahren gegen kurdische oder türkische Linke – ausgesprochen mild aus, zumal die Anklagepunkte und Schuldfähigkeit in vollem Umfang bewiesen wurden. Neben ihren verfahrensverkürzenden Aussagen, einem der Richterin zufolge »von Reue getragenem Geständnis«, wirkten sich auch die guten Sozialprognosen positiv auf das Strafmaß aus. So habe sich Elina F. dem Gericht zufolge aus eigener Kraft von der Ideologie gelöst und sich im Zuge ihrer Haft im kurdischen Lager Ain Issa auf wundersame Weise selbst deradikalisiert. Die Richterin sprach in ihrer Urteilsbegründung gar davon, dass Elina F. am Ende des Prozesses eine »entgegengesetzte Person« zu der sei, die 2013 nach Syrien ausgereist war – nicht die einzige skurrile Wendung in dem Verfahren.

Als Mitglied des IS hatte sie unter anderem an einem Propagandavideo mitgewirkt, in dem sie insbesondere Frauen aufrief, nach Syrien zu kommen und sich dem bewaffneten Jihad anzuschließen. Einer Freundin gegenüber erklärte sie, ihren inzwischen geborenen ersten Sohn »zum Kämpfer Allahs« erziehen zu wollen. Nach dem Tod ihres ersten Ehemannes Serkan E. bekam sie im Herrschaftsgebiet des IS in einem »Frauenhaus« Islamunterricht und erhielt als Frau eines sogenannten Märtyrers und Mutter diverse Zahlungen – eine Zeit, in der sie »wie eine Prinzessin gelebt« habe, so die Angeklagte vor Gericht.

Während der Staatsanwalt in seinem Plädoyer betonte, Elina F. hätte bewusst Möglichkeiten zur Flucht ungenutzt gelassen, sprach ihre Verteidigerin von einer schicksalshaften Tragödie ihrer Mandantin. Sie beschrieb Elina F. als handlungsunfähig und »kleines Getriebe im Rad« – es sei perfide, wie der IS Biografien wie die der Angeklagten missbrauchen würde. Ihre Kindheit und Jugend waren von Armut und Gewalt geprägt. Sie wuchs in einer proletarischen und ausgesprochen patriarchalen Familienkonstellation auf, in der die Kinder wiederholt erleben mussten, wie der Vater ihre Mutter verprügelte. Nach deren Trennung verbündeten sich ihre Brüder mit dem Vater, die Gewalt richtete sich zunehmend gegen Elina F. Während der Vater die Wohnung verlor, brach sie ihre Ausbildung als Bäckereifachverkäuferin ab und lebte eine Zeit lang auf der Straße.

Serkan E., den sie seit Jugendjahren kannte, holte sie aus diesem Elend heraus, er habe sie »gerettet«. Die daraus entstandene affektive Bindung scheint bis heute an Strahlkraft kaum nachgelassen zu haben. Sie kam bei seiner Familie unter und wurde dort »wie eine Tochter« aufgenommen. Doch in der Beziehung zu Serkan E. reproduzierten sich ihre früheren Gewalterfahrungen. So sei er ihr gegenüber wiederholt gewalttätig geworden. Als Mitglied der Hells Angels war er in eine milieuinterne Schießerei verwickelt, sodass ein Ermittlungsverfahren wegen versuchten Mordes gegen ihn eingeleitet wurde. Im Jahr 2012 erreichte seine Gewalt gegen Elina F. einen Höhepunkt: Weil sie sich nach einem Streit von Serkan E. getrennt hatte, stellte er ihr nach und versuchte, sie mit einem Auto zu überfahren. Bei dem anschließenden Verfahren wegen des versuchten Femizids war seine damalige Verteidigerin Ina Franck – die jetzige Anwältin von Elina F.

In die Zeit der Trennung fällt ihre – voneinander unabhängige und für islamistische TerroristInnen nicht unübliche – schnelle Radikalisierung zum Salafismus. Ihre Hinwendung zum Islamismus stellte in vielerlei Hinsicht einen Versuch dar, sich von dem ‚Schmutz‘ ihrer Vergangenheit durch eine religiöse Wiedergeburt zu ‚reinigen‘. Doch dieser blieb haften und spiegelt sich in ihrem bis heute intakten Feindbild: Vor Gericht bediente sie immer wieder antikurdische und andere rassistische Ressentiments. So begründete sie ihre Rückkehr nach Deutschland unter anderem damit, dass es in Syrien so »dreckig« und »unordentlich« gewesen sei, was, wie sie sagte, »in deren Kultur« läge. Positiv wirkte sich indessen auf das Urteil von Elina F. aus, dass ihr »Ordnung und Sauberkeit« ein besonderes Anliegen seien, wie es in ihrer Sozialprognose heißt.

Vor Gericht beschreibt sie ihr Wiedersehen mit Serkan E. als reinigendes Erlebnis: Er sei wie ausgetauscht gewesen, hatte sich »um 180 Grad gedreht«. Er habe plötzlich gute Kleidung getragen, sei gepflegt gewesen und hätte viel ruhiger gewirkt, nicht mehr so aufbrausend. Auch für die Gewalt ihr gegenüber hätte er sich entschuldigt und ihr erklärt, dass Frauen im Islam besonders geehrt würden. Wahrscheinlich glaubte sie wirklich – auch bis heute – dass sich Serkan E. im Sinne des von ihr projizierten männlichen Idealbildes verändert habe. Doch die männerbündischen Affekte, sein Frauenbild und seine Sexualvorstellungen blieben intakt, nur eben streng reguliert durch islamistische Glaubenssätze.

In der Beziehung zwischen Elina F. und Serkan E. scheint ein Moment auf, das für ideologische Verstrickungen in den Islamismus allgemein zentral ist: Für die Angeklagte spielten ihrerseits männerbündische Affekte eine Rolle, die freilich vermittelt funktionieren: Sie profitierte emotional von der Bindung an den patriarchalen Idealtyp, der nicht nur betont heterosexuell und »wehrhaft« war, sondern einer »höheren Sache« diente (Bruderschaft, Ehre, Umma usw.). Denn so konnte sie sich in ihre phantasierte Frauenrolle als Prinzessin begeben. Einerseits sei er ein ‘richtiger Mann’ gewesen, der ‘seine Frau’ ehrt. Andererseits wird aber die als bedrohlich wahrgenommene abgespaltene Weiblichkeit, die zur Herstellung einer solchen Männlichkeit abverlangt wird, im Männerbund verdrängt. Die misogynen Aggressionen, die er Elina F. spüren ließ und die sich sowohl bei den Hells Angels als auch beim IS wiederfinden, waren im wahrsten Sinne des Wortes in Serkan E. verkörpert.

An entscheidenden Stellen spielen in Elina F.s Biografie Frauen eine bedeutende Rolle. So war eine Freundin bei der Konvertierung und der darauf aufbauenden Hinwendung zum Islamismus zentral. Auch scheint die Konkurrenz innerhalb ihrer Clique, die bessere Muslima sein zu wollen – eine spezifische innerweibliche Konkurrenz, die als Pendant zum männerbündischen Konkurrenzverhalten gelten kann – eine wichtige Triebfeder gewesen zu sein. Ihre Ausreise plante sie mit einer weiteren Freundin, die mit ihrem Ehemann Knotenpunkte in der salafistischen Szene Hamburgs und der Bundesrepublik bildeten. Sie fand sich vor diesem Hintergrund schnell in ihrer neuen Rolle im IS ein, die darin bestand, ihre Pflichten als Ehefrau und Mutter zu erfüllen und so dazu beizutragen, die Grundlage des IS abzusichern. Frauen sollen der islamistischen Ideologie zufolge das Fundament der Familie bilden, eine wichtige Rolle bei der Erziehung der nächsten Generation spielen und den »Kämpfern« den Rücken freihalten. Zudem tragen einige als Lehrerinnen oder, wie im Fall von Elina F., mit Propaganda aktiv zu der Rekrutierung bei.

Die Frage der Richterin nach den ideologischen Verstrickungen der Angeklagten blieb im Prozess – wenig überraschend – unbeantwortet. Zwar hat sie sich augenscheinlich vom IS als Organisation distanziert. Dass sie sich vor Gericht ohne Kopftuch zeigte und nach der Urteilsverkündung eine Flasche Sekt öffnete, legt auch eine Abkehr von streng islamischen Grundsätzen nahe. Doch mit der zugrundeliegenden affektiven Bindung zu Männerbund, Familienideologie und islamistischem Antiimperialismus scheint sie nicht gebrochen zu haben. Hierfür spricht unter anderem, dass sie bis heute nicht in der Lage ist, Opfer zu benennen, etwa die vertriebenen oder geflohenen Syrer_innen, in deren Wohnungen sie wohnte, oder vom IS versklavte Êzîdinnen. Opfer oder Betroffene tauchen in ihrer Erzählung nur dann auf, wenn sie sie in eine »Gemeinschaft der Leidenden« einordnen kann, von der sie selbst Teil war. Als islamistische Täterin will sie sich aber nicht verstanden wissen, sondern als Verirrte, die Fehler gemacht hat.

Dementsprechend brachte ihre Verteidigerin im Plädoyer die Hoffnung zum Ausdruck, dass sie nicht »nochmal in ihr Unglück rennt«. Unter Tränen und mit nunmehr nationalistischem Pathos flehte Elina F. in ihrem letzten Wort die Richterin an, ihr Land möge ihr verzeihen – sie habe Fehler gemacht, wie alle Menschen welche machen, und wolle aus ihnen lernen. Sie wisse nun, dass sie »hierher« gehöre. Ihre Strategie ging auf und so konnte sie den Gerichtssaal am 09. September 2020 zwar als verurteilte Islamistin, aber auf freiem Fuß verlassen.

#feministfrequency Prozesstagebuch

Als Bündnis folgen wir dem Aufruf u.a. des êzîdîschen Frauendachverbandes & beobachten den Prozess gegen die IS-Anhängerin Elina F. Dazu sprechen wir über unsere Eindrücke und Beobachtungen.

Prozesstagebuch #1 – 10.07.2020
Prozesstagebuch #2 – 03-07.08.2020
Prozesstagebuch #3 – 12-26.08.2020
Prozesstagebuch #4 – Prozessabschluss und Urteilsverkündung

KEINE HALBEN SACHEN. FÜR EINEN RADIKALEN FEMINISMUS. GEGEN DIE FEINDE DER EMANZIPATION.

Wir haben uns als bundesweites Bündnis drift – feminist alliance for communism zusammengeschlossen, um für eine radikale feministische und queere Gesellschaftskritik zu streiten. Das Bündnis steht für das Bestreben innerhalb feministischer und queerer Bewegungen radikale Gesellschaftskritik stark zu machen. Diese soll eine Umwälzung der herrschenden Verhältnisse zum Ziel haben, die auf die Befreiung aller Menschen abhebt und bis dahin eine emanzipatorische Perspektive im Hier und Jetzt mitdenkt. Diese Kritik ist gegen das gerichtet, was wir als moderne Antimoderne bezeichnen. Damit meinen wir das Erstarken von Islamismus und Nationalismus, die beide patriarchale Vergemeinschaftungsideologien sind. Sie geben sich kapitalismuskritisch, stützen dabei aber die Aufrechterhaltung kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse. 

Für Mai und Juni machen wir daher gegen unterschiedliche AkteurInnen aufmerksam, die beide mehr eint, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Während im sächsischen Erzgebirge Jahr für Jahr christliche FundamentalistInnen marschieren, um das „ungeborene Leben“ zu betrauern, treffen sich jährlich in Berlin AntisemitInnen, um zur Eroberung Jerusalems aufzurufen. Wir sagen: als linke, emanzipatorische Feminist*innen gehen uns beide Aufmärsche gleichermaßen an. Auch wenn es dieses Jahr aufgrund von Corona keine Märsche auf der Straße geben wird, muss den transportieren Inhalten in anderer Form vehement entgegen getreten werden.

KONTROLLE WEIBLICHER KÖRPER 

Beide Strömungen fordern von außen gesteuerte Kontrolle über den gebärfähigen Körper. Frauen sollen Kinder bekommen, Abtreibungen sind tabu — weibliche Selbstbestimmung in all ihren Facetten ist weder in ihren Gesellschaftsentwürfen noch der alltäglichen Praxis vorgesehen. So unterschiedlich die islamistischen Kräfte des Al-Quds-Marsch und die völkisch-fundamentalistischen „LebensschützerInnen“ sind, so eint sie doch ihre Vorstellung von Frauen als tugendhaft, jungfräulich, mütterlich und asexuell. Ob Mädchen und Frauen ausgeschlossen oder Gewalt ausgesetzt werden, weil sie ihrer eigenen Wege gehen, oder ob sie gegen ihren Willen gezwungen werden, eine Schwangerschaft auszutragen oder eine Ehe einzugehen: selbstbestimmte Frauen sind beiden AkteurInnen ein Gräuel und der antifeministische Reflex in beiden Strömungen so stark, das sich die konkrete Gefahr für Leib und Leben selbst bestimmter Frauen in diesen Kontexten potenziert.

Beide vereint, dass sie die vehementesten Agenten patriarchaler Herrschaft sind, beide vereint das Faible für die Familie mit starren und binären Geschlechterrollen: Hier darf es keine Abweichungen und Uneindeutigkeiten geben. Dies äußert sich in strikten Regeln zu männerdominierter Heterosexualität, klarer Zweigeschlechtlichkeit und unbändiger Gewalt gegenüber homosexuellen, trans, inter und anderen queeren Menschen. Die Familie gilt als Hort der Ehre, des Ansehens und der Tugend und ist die wertvollste Einheit ihrer Gesellschaftsentwürfe und praktischen Lebensweisen. Während die völkisch-fundamentalistischen Kräfte darauf drängen ihre Bevölkerungs- und Familienpolitik durch beispielsweise die AfD in den europäischen Parlamenten umzusetzen, sind die islamistischen AkteurInnen darauf aus, muslimische Communities zu prägen und in den staatlichen Religionsunterricht zu wirken. So werden die DemonstrantInnen des Al-Quds-Marsches u.a. durch die islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden Deutschlands, kurz „IGS“, bundesweit mit Bussen zur Demonstration gefahren. Der Vorsitzende der „IGS“ Mahmood Khalilzadeh sieht sich in der Tradition der „islamischen Revolution“ und als Schüler der Todesrichter Mousawi Ardabili und Mahmoud Hashemi Shahroudis, die für die Ermordung von tausenden Oppositionellen, Frauen und Kritiker*innen gegen die rigiden Sittengesetze des iranischen Mullah-Regimes verantwortlich sind. 

FAMILIE UND GESCHLECHTERROLLEN

Beide Bewegungen versuchen abseits der Märsche gesellschaftlich Einfluss zu nehmen, indem sie tägliche Care-Arbeit und Communitiy-Aufgaben übernehmen. Dabei vermitteln auch Frauen ihre Werte, Ideologie, alltägliche Rituale und Verhaltensweisen. Unter dem Deckmantel der Nächstenliebe sind christliche FundamentalistInnen gerade in strukturschwachen ländlichen Regionen wie dem Erzgebirge aktiv, IslamistInnen unter dem Credo der Einheit und „Solidarität“ der Muslime eher in Gegenden wie dem Ruhrgebiet. Sie bieten Anlaufpunkte für Menschen, die durch einen erodierenden Sozialstaat und zunehmende Brutalisierung des Kapitalismus Halt und Anschluss suchen. Beide Bewegungen nutzen Alternativlosigkeit oder Notlagen, um Menschen für sich zu gewinnen. Bei IslamistInnen kommt hinzu, dass sie die tatsächlichen rassistischen Ausschlüsse und die feindliche Außenwelt auf perfide Weise für sich zu nutzen wissen (2). So wurden im Oktober 2019 an mehreren Ruhr-Unis zielgerichtet getrennt an Frauen und Männer Werbeflyer für die „Muslim Students NRW“ verteilt, die sich offen auf social media mit der Muslimbruderschaft solidarisiert (1).

Familienbilder und Geschlechterrollen beider Strömungen entspringen der Vorstellung eines diffusen, guten „Früher“, das vor dem Aufkommen der liberalen „dekadenten“ Gesellschaften noch Ordnung kannte. Das ist Romantisierung und historischer Nonsens. Vielmehr geht es um antimoderne Antworten auf moderne Versprechen von Freiheit und Gleichheit. Bekanntermaßen gelten diese Versprechen bisher vor allem für weiße Männer, sind aber grundlegend eine Errungenschaft hinter die nicht mehr zurück getreten werden kann. Von hier aus können progressive linke Kräfte mehr wollen, mehr einfordern, darum kämpfen, dass Freiheit und Gleichheit eines Tages für alle Menschen verwirklicht werden.

FRAGILE MÄNNLICHKEIT

Der Hass auf die Errungenschaften der verschiedenen Frauenbewegungen speist sich aus einer Gegenbewegung zum pluralisierenden Fortschritt. In den letzten Jahrzehnten haben linke, antirassistische, feministische und queere Bewegungen viel erkämpft: Gesellschaften sind pluralistischer, freiheitlicher und zumindest ein bisschen gleicher geworden. Unbestreitbar mussten manche Männer — Pfaffen, Familienväter, Chefs und andere „Alphamänner“ — ihre Posten räumen und Federn lassen. Genau deswegen sind Feministinnen, Queers, Kommunist*innen etc. die Feindbilder patriarchal-autoritärer Kräfte, ob sie nun islamistisch oder völkisch-fundamentalistisch daherkommen.

Doch nicht nur die: Antifeminismus ist der kleinste gemeinsame Nenner aller Strukturen in denen mehrheitlich Männer repräsentative Positionen bekleiden und patriarchale Ideale vertreten sind. Deswegen dürfen wir nicht vergessen: islamistische, völkische, christliche-fundamentalistische Kräfte, Incels, …. sind nur die Speerspitze des Antifeminismus. An ihnen lässt sich aufzeigen, wie brutaler Frauen*hass funktioniert, denn sie treten mit elitärem Anspruch als Agenten des Patriarchats auf. An ihnen sehen wir, wie weit Männer bereit sind zu gehen, welche Gewalt sie anwenden, um männliche Vorherrschaft zu verteidigen und auszubauen. Doch auch ganz „normale“ Männer profitieren von diesen exponierten Figuren und machen sich bei fehlendem Widerspruch zu deren Komplizen.

So findet sich beides – bei den Evangelikalen besonders deutlich zu sehen – die ruhigen, gläubigen, „beschützenden“ und „besorgten“ Männer, die mit beseelten Gesängen Frauen vor Arztpraxen belästigen. Auch wenn sie nicht selber Hand anlegen markieren sie doch die Feindbilder, unterscheiden lebenswertes von unwertem Leben, entwickeln Vorschriften, versammeln Frauenhasser des gesamten Spektrums und normalisieren verachtende Rhetorik. Und es gibt die, die zur Tat schreiten und das aufgreifen: die Breiviks und Balliets, die sich als selbst ernannte Kreuzritter zur Verteidigung des Abendlandes auf die religiösen Versatzstücke stützen, um in Märtyrer-Manier Queers, Frauen, Migrant*innen und Linke zu ermorden. 

Soldatische und besorgte Männlichkeit gehen Hand in Hand. Sie eint, dass sie radikal unempathisch sind. Sie eint, dass sie nicht anerkennen, dass Frauen Menschen sind. Die Wortführer markieren die erwählten Opfer und die selbsternannten Verteidiger der jeweiligen Gemeinschaft schreiten zur blutigen Tat. Die Aufmärsche Al-Quds und Annaberg-Buchholz ziehen mit ihren Inhalten AntifeministInnen und Antisemit*innen des gesamten politischen Spektrums an. Hier laufen christliche FundamentalistInnen neben Identitären und monarchistische KatholikInnen neben Anti-Genderismus-VerschwörungsideologInnen. Beim Alquds-Tag sieht man schiitische Kleriker neben Anhängern der vom Iran finanzierten Hezbollah auf die Straße gehen. Mit dabei sind auch VerschwörungsideologInnen, Rechtsradikale, wie der Vorsitzende der Partei Deutsche Mitte Christopher Hörstel, und immer wieder linke Antiimperialisten, wie ehemalige Mitglieder des Jugendwiderstands.

KOMPLEXITÄT ALS FEINDBILD

In beiden Bewegungen wird der Kapitalismus als Ursache erodierender Verhältnisse völlig ausgeblendet. Das Geschlechterverhältnis soll entscheidend über die Trennung von Lohnarbeit und Hausarbeit vermittelt bleiben. Diese Binarität löst sich allerdings zunehmend auf, weil die Pluralisierung und Individualisierung von Gesellschaft für kapitalistische Zwecke nutzbar ist – so kann umfassender auf Arbeitskraft zugegriffen werden. In diesem Kontext ist die Verbreitung religiöser Ideologie der Versuch, sich gegen diese Expansion zu wehren, ohne den Kapitalismus in Frage stellen zu müssen. Sie versuchen mit religiöser Rhetorik und strenger Sexualmoral komplexe Entwicklungen zu vereinfachen und begegnen neuen Handlungsoptionen und -zwängen mit aller Gewalt und selbst auferlegten Einschränkungen.

Die Welt ist komplexer geworden, seit nicht mehr nur Männer draußen in der Welt unterwegs sind und über die Schicksale der Vielen bestimmen. Die Welt ist komplexer geworden, seit viele Stimmen sich einbringen. Diese Entwicklung ist für manche Menschen nicht akzeptabel und sie phantasieren sich eine Scheinwelt herbei, die anhand von reaktionären Konzepten vereinfacht ist und dadurch kontrollierbar scheint.

Die vermeintlichen Erklärungsmuster sind oft antisemitisch, in ihnen werden Juden und Jüdinnen als diffuse Weltmacht für gesellschaftliche Miseren verantwortlich gemacht. Der Antisemitismus findet sich in beiden Bewegungen.

Bei den AntisemitInnen des al-Quds ist er omnipräsent, beim 1000-Kreuze-Marsch zeigt er sich unter anderem im Unterstützungsnetzwerk. Was die Al-Quds-AntisemitInnen noch einmal deutlich von den völkisch-religiösen unterscheidet, ist ihr eindeutiger Hass auf Israel als Wurzel allen Übels. Dies wird auch nationalistisch begründet, indem Palästinenser*innen zu einer Nation erklärt werden, während die israelische Nationalstaatsgründung als „unnatürlich“ proklamiert und deshalb abgelehnt wird. 

AUSBLICK

Feministinnen auf der ganzen Welt kämpfen gegen Gewalt, Femizide, Beschränkung reproduktiver Rechte und Rassismus. Leider kämpfen sie nicht immer gegen Antisemitismus. Wir wollen einen radikalen Feminismus mit internationalen Bündnissen und Allianzen, einen Feminismus, der sich den Kampf gegen Antisemitismus auf die Fahne schreibt. Denn eine Gesellschaftskritik, die Antisemitismus nur als Nebenwiderspruch begreift, ist zum Scheitern verurteilt. Wir streiten für die Anerkennung aller Frauen, trans, inter und queeren Menschen als Menschen. Wir wollen eine starke feministische Bewegung, die kapitalistische und patiarchale Verhältnisse umkrempelt! Pluralismus und Ausdifferenzierung in feministischen Kämpfen ist etwas Gutes – Lasst uns feministisch streiten!

…und gemeinsam patriarchalen AkteurInnen entgegentreten. Wenn dieses Jahr schon nicht gemeinsam auf der Straße, dann mit unseren Freund*innen und Genoss*innen im Netz unter dem hashtag #radikalerfeminismus. Wir wollen, dass sich die verschiedenen Kämpfe verbinden, anstatt sich zu vereinzeln, um große feministische Schlagkraft zu entwickeln.

Wir sind es leid, dass im Namen der Religion, der Kultur und der Nation unsere Freiheit eingeschränkt, unsere Körper kontrolliert, unsere Lebens- und Liebesweisen bedroht werden. Und wir wollen mehr als das, was ist! Wir wollen mehr als auf anti-emanzipatorische Kräfte zu reagieren. Wir wollen mehr, als unsere derzeitigen Rechte zu verteidigen und unter permanenter Bedrohung den Status quo zu erhalten:

Als Kommunist*innen und Feminist*innen wollen wir eine Gesellschaft, in der die Ausbeutung und Erniedrigung von Menschen für Kapitalinteressen oder gesellschaftliche Macht zum Ende kommt. Eine Gesellschaft in der Fortschritt den Menschen dient und nicht umgekehrt. In der niemand gezwungen ist, ihre*seine Arbeitskraft zu verkaufen oder unentlohnt zu Hause zu schuften. Diese Gesellschaft wäre eine, in der Menschen keine Religion mehr bräuchten, weil die Notwendigkeit auf ein besseres Leben zu hoffen, um morgens aus dem Bett zu kommen, nicht mehr besteht. Dies wäre eine Gesellschaft, in der Geschlecht nicht mehr mit Zuschreibungen verknüpft ist und somit kein reproduktives Organ den Verlauf eines gesamte/n Lebens bestimmen kann.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der alle ohne Angst verschieden sind, in der Menschen lieben, wen sie wollen und selbst über ihre Körper verfügen. Wir wollen eine Gesellschaft der universellen Freiheit, eine globale Gesellschaft ohne nationalstaatliche Grenzen und Zuschreibungen von „Kultur“. 

Wie kommen wir dahin? Durch eine Kritik, die Ambivalenzen mitdenkt, Unterschiede aushält und Komplexität als Chance begreift. Linksradikale Kräfte, die sich bündeln und dadurch die Stärke entwickeln, alles lahmzulegen und machbare und utopische Gegenentwürfe denk- und lebbar zu machen. 

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KEINE HALBEN SACHEN.

FÜR EINEN RADIKALEN FEMINISMUS.

GEGEN DIE FEINDE DER EMANZIPATION.

(Zur Audioversion des Aufrufs)

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1.)  https://www.ruhrbarone.de/muslim-students-nrw-islamisten-werben-an-der-ruhr-universitaet-bochum/174571  

2.) https://www.facebook.com/realitaetislam/videos/auch-nach-hanau-l%C3%A4uft-die-islamfeindliche-assimilationspolitik-auf-hochtourenein/529641941090509/

3.) http://www.disskursiv.de/2010/03/18/konservative-reconquista/

zum Weiterlesen:

https://www.hessenschau.de/gesellschaft/verfassungsschutz-warnt-vor-expansion-von-realitaet-islam-,verfassungsschutz-warnt-vor-realitaet-islam-100.html

https://frauenstandpunkt.blogspot.com/

http://ieus.de/news/Stellungnahme-der-Islamisch-Europaeischen-Union-der-Schia-Gelehrten-und-Theologen-IEUS-zum-moeglichen-Gesetz-hinsichtlich-eines-Kopftuch-Verbots-fuer-Kinder-in-Oesterreich-1

https://www.tagesspiegel.de/berlin/antisemitische-demo-in-berlin-wer-steckt-hinter-dem-al-quds-marsch/22653804.html

Mit #unteilbar nach Dresden – Feministisch in die Offensive

Gegen Rassismus, Islamismus und Patriarchat

Die Feind_innen der Freiheit sammeln sich. In Deutschland, in Europa, in weiten Teilen der Welt breitet sich ein rechter Konsens aus. Die Stimmen auf der Straße, in den Parlamenten, im Internet, sie werden menschenfeindlicher, sie hetzen, sie verhöhnen diejenigen, die für eine Gesellschaft in der Freiheit und Gleichheit herrschen eintreten.
Rassistische und antisemitische Gewalt war schon immer Alltag in Deutschland, in diesem Klima wird sie alltäglich. Die völkische Rechte
vernetzt sich, hortet Waffen, schmiedet Bünde. Sie bläst zum Angriff auf gleiche Rechte und Pluralität, über Gesetze in den Parlamenten, die Kürzung von Geldern, Einschüchterung und Mord. Wenn Nazis Todeslisten anlegen, wenn dem Sterben an Europas Außengrenzen mit Achselzucken begegnet wird, wenn rassistische Polizeigewalt weiter vertuscht wird, dann merken wir wie wenig ein Leben bei denjenigen zählt, die Menschen in ihr nationales Kollektiv zwingen oder aussortieren wollen. Auch wenn unsere Perspektiven, unsere Betroffenheit verschieden sein mögen, uns eint unser Widerspruch und unser Widerstand gegen eine Politik der Menschenfeindlichkeit.
Es gilt, uns zusammen zu schließen, uns solidarisch aufeinander zu beziehen, unsere Kräfte zu einen. Deswegen rufen wir dazu auf, sich an
den Protesten von #Unteilbar in Sachsen im Sommer 2019 zu beteiligen.
Unter dem Motto „#Unteilbar – Solidarität statt Ausgrenzung“ gingen bereits im letzten Jahr 250.000 Menschen in Berlin auf die Straße und
zeigten deutlich die Breite und die Vielfältigkeit des Protestes gegen den gesellschaftlichen Rechtsruck. Wir wollen als feministische Kommunist_innen dem Hass entgegen treten. Wir wollen die Rechte von denjenigen verteidigen für die und deren Lebensentwürfe in der patriarchalen Ideologie kein Platz ist. Militant, Pervers und Queer. Wir begrüßen es, bei der Demo miteinander in Austausch zu kommen, wir wollen das Einende suchen, uns mit Respekt begegnen, unsere Unterschiede nicht unter den Teppich kehren sondern diskutieren können.
Aber wer für eine pluralistische Gesellschaft gegen Antifeminismus, Homophobie und Antisemitismus auf die Straße geht sollte nicht vergessen, bei sich selbst und dem eigenen Umfeld anzufangen. Nachdem es bereits 2018 eine deutlich wahrnehmbare und öffentliche Kritik an der Teilnahme und Unterzeichnung konservativer Islamverbände an #Unteilbar gab, ist auch in Sachsen der Zentralrat der Muslime erneut unter den Unterzeichnenden vertreten.
Der Zentralrat bildet einen Teil der Speerspitze eines konservativen Umbaus des Islam in Deutschland. Indem er sich als verlässlicher Bündnispartner für Behörden, Parteien und NGOs anbietet kann er seine islamistische Politik durchsetzen. Mitglieder im Zentralrat der Muslime in Deutschland sind unter anderem die Islamische Gemeinschaft in Deutschland, ein Sammelbecken der islamistischen Muslimbrüder, sowie das Islamische Zentrum Hamburg, ein Sprachrohr des Mullah-Regimes im Iran.
Wir fragen uns, wie ein konsequenter Kampf gegen Homophobie, patriarchale Gewalt und Antisemitismus aussehen soll, wenn die Antisemit_innen, diejenigen, die Frauenrechte mit Füßen treten und die einen Hass auf Queers haben, in den eigenen Reihen stehen.
Wir fragen uns, wie eine Solidarität mit Geflüchteten aussehen soll, wenn IslamistInnen, deren Gewalt Menschen auf der ganzen Welt zur Flucht zwingt, bei #Unteilbar willkommen sind.
Wie ernst kann eine Solidarität mit Betroffenen sein, die kritische Stimmen hierzu, zum Beispiel aus der kurdischen Linken ignoriert? Wer Muslime nur als Opfer sehen kann und sie sowie ihre Verbände nur in dieser Rolle anspricht, instrumentalisiert sie.
Als Feminist_innen treten wir an, uns den patriarchalen Männerbünden entgegen zu stellen, die uns die Luft zum Atmen nehmen. Mit
IslamistInnen ist eine offene Gesellschaft, in der alle ohne Angst verschieden sein können, ist eine feministische Politik nicht zu machen.
Wir rufen dazu auf, sich an #Unteilbar und den Protesten in Sachsen, gerade vor den anstehenden Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, zu beteiligen. Wir rufen auch dazu auf, IslamistItnnen keinen Raum zu geben. Unteilbar gegen Rassismus, Antifeminismus und das Patriarchat!

Schließt euch uns an. Fahrt am 24. August nach Dresden.

Aufruf als PDF

Konferenz 2018

 

Vom 09. bis 11. November 2018 findet in Marburg eine Aktivierungskonferenz zur feministischen und kommunistischen Kritik des Islamismus und der völkischen Rechten statt.

Für dieses Vorhaben wollen wir etwas ausprobieren: Wir möchten versuchen, dass auch Leute, die wir bislang nicht kennen, mit Beiträgen vertreten sind. Deswegen laden wir alle ein, die Interesse an Feminismus als Gesellschaftskritik haben! Wir wollen explizit verschiedene Leute ansprechen, die sich in ihrer Politgruppe, in ihrer Lohnarbeit, in ihrem Studium, in ihrer Gewerkschaft, in ihrer Initiative, in ihrer Stadtteilgruppe etc. mit den Themen Geschlechterverhältnis, Islamismus und/ oder völkische Rechte (und ihren Überschneidungen) auseinandergesetzt haben: Wir können nur weiterkommen, wenn wir feministisch miteinander streiten. Das heißt auch: Raus aus der Comfort Zone! Deshalb haben wir einen schicken Call for Participation entworfen:

Call for participation
Oder: Einladung, zur Konferenz des Bündnisses drift beizutragen

„Konferenz 2018“ weiterlesen

Aufruf zur Kundgebung „Für einen radikalen Feminismus. Keine halben Sachen. fight nationalism! fight islamism!“

Kassel – irgendwo in Deutschland, irgendwo in Europa.

In Kassel findet derzeit zum 14. Mal die documenta statt. Obwohl es in der diesjährigen documenta viel um Rassismus und Sexismus geht, bleibt das politische Klima in der Stadt selbst für die Besucher_innen quasi unsichtbar: Der reibungslose Ausstellungsbesuch ist wichtiger als Stadtpolitik – daran ändern auch Sparziergänge durch Kassel nichts, die erstmals Teil der documenta sind. Zwar thematisieren sie „Vertreibung und Migration“ oder „Verstrickung von Kunst, Politik und Wirtschaft“, doch gehen sie auf die konkreten gesellschaftlichen Verhältnisse vor Ort nicht ein.

Nur eine bedeutende Ausnahme gibt es: Das Projekt „Gesellschaft der Freund_innen von Halit“ beschäftigt sich im Rahmen der documenta mit der Ermordung Halit Yozgats durch den NSU. Es skandalisiert auch den strukturellen Rassismus der Behörden und dass der Verfassungsschutz tief in den NSU-Komplex verstrickt ist. Rassismus in Kassel bleibt wenigstens hier nicht unerwähnt!

Das ist wichtig, denn Rassismus ist in Kassel – wie andernorts – Alltag und völkischen Nationalismus gibt es hier in vielen Formen: Burschenschaften, die im Dachverband Deutsche Burschenschaft organisiert sind und damit offen zu einem geschichtsrevisionistischen, deutschnationalen und rassistischen Club gehören. Rechte KSV-Fans, die im Stadion und außerhalb immer wieder Leute angreifen, die sie für Linke halten. Christliche FundamentalistInnen, die immer wieder zu Events einladen, bei denen sie offen ihre antifeministischen, homophoben und reaktionären Positionen gegen Abtreibung verbreiten. Der Pegida-Ableger, der seit Ende 2014 unter dem Namen Kagida in seiner Hochzeit bis zu 200 Nazis, VerschwörungsideologInnen und andere „besorgte BürgerInnen“ zu seinen rassistischen Kundgebungen mobilisierte. Sie alle sind in Kassel heimisch.

Da wundert es auch nicht, dass die AfD im März 2016 mit elf Prozent in die Stadtverordnetenversammlung einzog. Das ist ein Ausdruck der Kassler Verhältnisse und da gibt’s auch nichts schönzureden: Ein großer Teil der Kassler_innen wählt eine sexistische und rassistische Partei.

Eine unversöhnliche Perspektive

Als Feminist_innen sind wir notwendig Gegner_innen des völkischen Nationalismus, der immer sexistisch ist, egal ob von christlichen LebenschützerInnen, Neonazis oder der AfD: Weil er sich die Nation als einen „Volkskörper“ vorstellt, der verletzt und bedroht werden kann, ist im völkischen Nationalismus ganz klar, was die Rollen von Frauen* und Männern sein müssen:

Frauen* sollen für den Erhalt dieses „Volkes“ sorgen, indem sie möglichst viele und „deutsche“ Kinder bekommen. Die oft erhobene Forderung danach, die „eigene deutsche Frau“ vor „dem schwarzen Mann“ zu beschützen, ist seit dem Kolonialismus tief in den rassistischen Alltag eingeschrieben. So was wie Selbstbestimmung von Frauen* über ihren Körper, mühsam von den Frauenbewegungen erkämpft, bekämpfen völkische NationalistInnen deshalb.

Für Männer hingegen gilt ein männerbündisches Ideal der kämpferischen Kameradschaft, das man aus urschenschaften und Hooligan-Cliquen kennt.
Die Härte, die da gepflegt wird, richtet sich im Endeffekt gewalttätig gegen Frauen*, Lesben, Schwulen und alle, die von Geschlechternormen abweichen.

Einem Gesellschaftsentwurf, in dem der männliche Körper eine Waffe und der weibliche Gebärmaschine sein soll, in dem jede sexuelle Lust, die nicht dem „Erhalt des Volkes“ gilt, unterdrückt und in dem ein dauernder Kampf gegen die inneren und äußeren FeindInnen geführt wird, stellen wir uns entschieden entgegen!

Neben seinen repressiven Geschlechternomen war (völkischer) Nationalismus immer auch rassistisch und antisemitisch. Rassismus drückt sich heute allerdings meistens in der Chiffre der „Islamkritik“ aus. So lassen sich unter dem Label stumpfe Ressentiments von „den Fremden“ pflegen, die nicht mehr als unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Interessen erscheinen.

Ein Neidverhältnis

Wir meinen: In diesem Mechanismus ähneln sich völkischer Nationalismus und Islamismus, obwohl sie einander so sehr verachten. Beide sind patriarchale Vergemeinschaftungsideologien, die eine männerbündische Herrschaft über Frauen* versprechen und individuelle Befreiung bekämpfen.

Beide sind kein Rückfall in vergangene Zeiten, sondern Produkte der kapitalistischen Verhältnisse, in denen wir leben. Beide bieten das Versprechen auf eine sinnstiftende Gemeinschaft, die ökonomische und soziale Krisenerfahrungen der Moderne abfedern soll.

Der europäische Islamismus wird dabei vorrangig im direkten sozialen Umfeld politisch wirksam, tritt in Form von Infoständen und Aktionen im Alltag in Erscheinung oder orientiert sich in Richtung Naher Osten: Aus Kassel schlossen sich mehrere Personen dem Islamischen Staat an und reisten nach Syrien. Und nicht zuletzt geht vom Europäischen Islamismus die permanente Gefahr von Terroranschlägen aus.

Der völkische Nationalismus kämpft darum, seine Begriffe in sozialen Netzwerken und anderen Medien zu etablieren. Er agiert gewalttätig auf den Straßen und verbreitet alltäglich mit Brandanschlägen auf Unterkünfte für Geflüchtete rassistischen Terror. Durch kontinuierliche Vernetzung, Lobby- und Kampagnenarbeit sowie durch einen aggressiven Wahlkampf drängt der völkische Nationalismus in die staatlichen Institutionen. So schickt sich die AfD an, als parlamentarische Vertretung des völkischen Nationalismus in das deutsche Parlament einzuziehen.

Mit ihren verschiedenen Ideologien und Strategien sind sowohl der Islamismus als auch der völkische Nationalismus eine Bedrohung für alle, die nicht in ihr Weltbild passen. Sie beide sind eine Bedrohung für unsere Idee einer befreiten Gesellschaft. Deswegen wollen wir ihnen entschlossen entgegentreten!

Eine Einladung

Weil wir die Aufmerksamkeit der documenta nutzen wollen, um auf die Strukturen der hiesigen völkischen Rechten und des örtlichen Islamismus aufmerksam zu machen, und weil bald Bundestagswahlen sind, wollen wir als Bündnis drift – feminist alliance for communism mit unserer Kundgebung genau diese zum Thema machen!

Wir rufen auf, am 9. September an unserer Kundgebung „Für einen radikalen Feminismus! Keine halben Sachen! Fight nationalism! Fight islamism!“ teilzunehmen!

Wir wollen uns gegen völkischen Nationalismus und Islamismus wenden, die wir als zwei Spielarten der Antimoderne begreifen. Wir wollen eine Diskussion über feministische und queere Gesellschaftskritik voranbringen. Und wir wollen dabei der documenta einen Vorschlag zu einem Spaziergang entgegenstellen, der deutlich macht, dass in einer Stadt wie Kassel FeindInnen der Emanzipation aller Couleur zu finden sind.

Kommt daher am 9. September nach Kassel!

Kundgebung: 14:00 Uhr Opernplatz / Kassel